Ende April 2020 wurde unser Angebot der „Qualifizierungsbegleitung für Heil- und Gesundheitsberufe“ im IQ Netzwerk Sachsen-Anhalt vom Direktor eines Sprachinstituts aus Indien kontaktiert. Drei seiner zu diesem Zeitpunkt dort Lernenden hatten den Wunsch, nach Sachsen-Anhalt zuzuwandern und in unserem Bundesland als Ärztinnen und Ärzte zu arbeiten. Den Kontakt zu unserem Angebot hatte das Institut für Berufspädagogik e.V. aus Magdeburg hergestellt, welches zum einen mit seinem Angebot der „Vorbereitung auf die Kenntnisprüfung für Ärztinnen und Ärzte“ ebenfalls Teil des IQ Netzwerks Sachsen-Anhalt ist und zum anderen Vorbereitungskurse auf die Fachsprachprüfung vor der Ärztekammer Sachsen-Anhalts anbietet.

Der Zeitpunkt der Kontaktaufnahme war durch die Einschränkungen aufgrund der weltweiten Corona-Pandemie seit Februar 2020 sowie durch eine Umbruchphase in Deutschland auf gesetzlicher Ebene angesichts der Einführung des sogenannten Fachkräfteeinwanderungsgesetzes zum 01.03.2020 gekennzeichnet.

Anfang Mai 2020 unterzeichneten die drei Ratsuchenden die Einwilligungserklärungen zum Datenschutz und Datenaustausch mit den handlungsrelevanten Akteuren und vollzogen damit den Eintritt in unser Angebot. Um in Deutschland als Ärztin oder Arzt arbeiten zu dürfen, benötigten sie entweder eine Erlaubnis zur vorübergehenden Ausübung der ärztlichen Tätigkeit (sogenannte Berufserlaubnis) oder eine Approbation. Die Berufserlaubnis wird für maximal zwei Jahre von der dafür zuständigen Behörde erteilt, wenn die Antragstellenden nachweisen können, dass sie über eine abgeschlossene ärztliche Ausbildung verfügen, die erforderlichen Deutschkenntnisse haben (bestandene Fachsprachprüfung vor der Landesärztekammer) und persönlich für die Berufsausübung geeignet sind (straffrei und gesundheitlich geeignet). Die Approbation wird dann erteilt, wenn die ärztliche Ausbildung aus dem Ausland gleichwertig zur deutschen Arztausbildung ist.

Natürlich werden beide Berufsberechtigungen nur auf Antrag erteilt. In unserem Bundesland ist dafür das Landesprüfungsamt für Gesundheitsberufe in Halle (Saale) zuständig, und zwar für jene Antragstellenden, die entweder ihren Wohnsitz in Sachsen-Anhalt haben oder plausibel nachweisen können, dass sie ihre ärztliche Tätigkeit in Sachsen-Anhalt ausüben möchten. Zusammen mit dem Antrag müssen Dokumente eingereicht werden, welche die Identität, den geforderten Abschluss der ärztlichen Ausbildung sowie die erforderlichen Deutschkenntnisse und die persönliche Eignung nachweisen.

Da sich die drei Ratsuchenden noch im Ausland befanden, musste das Antragsverfahren mindestens so weit vorangebracht werden, dass bei der deutschen Auslandsvertretung in Indien die Einreisevisa beantragt werden konnten. Als günstiger Umstand erwies sich, dass das Sprachinstitut in Indien für andere Ratsuchende bereits im vorhergehenden Jahr Informationen von uns eingeholt hatte. Dadurch war die Vorbereitung der Dokumente gemäß den formalen Vorgaben unseres Landesprüfungsamtes schon so weit vorangeschritten, dass der Lockdown aufgrund von Covid19 keine Auswirkungen auf diesen wichtigen Handlungsschritt hatte. Nur einer der Ratsuchenden hatte sein Zertifikat für die bestandene Deutschprüfung auf dem Niveau „B2 (GER)“ noch nicht erhalten.

Somit konnten wir Anfang Juni 2020 die Anträge auf Berufserlaubnis und Approbation in Sachsen-Anhalt einreichen. Alle drei Anträge wurden trotz der Corona-Einschränkungen vergleichsweise zeitnah bearbeitet, sodass wir Ende Juli 2020 die jeweiligen Zwischenmitteilungen des Landesprüfungsamts für Gesundheitsberufe in den Händen hielten, um die Termine bei der deutschen Auslandsvertretung zur Beantragung der Einreisevisa buchen zu können. Die drei Ratsuchenden hatten den Wunsch, zuerst nach Magdeburg überzusiedeln, um dort den Fachsprachkurs beim Institut für Berufspädagogik e.V. zu besuchen. Die entsprechenden Anmeldebestätigungen lagen vor. Des Weiteren erhielten die Ratsuchenden von uns eine Zusammenfassung des bisherigen Anerkennungsprozesses mit einer Empfehlung der weiteren Handlungsschritte, ausgerichtet an den Neuerungen des Aufenthaltsrechts und den dazugehörigen Umsetzungsverordnungen. Und hier machten uns dann die Einschränkungen aufgrund der Corona-Pandemie einen ersten Strich durch die Rechnung. Aufgrund des Lockdowns und der Situation in Indien gab es keine Termine bei der deutschen Auslandsvertretung. Das Warten zog sich bis Anfang Dezember 2020 hin. Dann hatten endlich zwei der drei Ratsuchenden einen Termin, für den wir alle Schriftstücke noch einmal aktualisieren mussten. Der Termin für den dritten Arzt wurde für Januar 2021 angesetzt.

Im Rahmen der Visaverfahren wurde dann deutlich, mit welchen Hürden die Einführung eines neuen Gesetzes in Deutschland verbunden sind. Die Visaverfahren der ersten beiden Antragstellenden wurden seitens der deutschen Auslandsvertretungen abgelehnt, weil die vom Landesprüfungsamt ausgestellte schriftliche Zwischenmitteilung nicht als solche anerkannt wurde. Zu diesem Zeitpunkt konnten wir auf die Fachexpertise unserer Kolleginnen und Kollegen der im September 2020 neu gegründeten Fachinformationszentren Zuwanderung sowie deren Kontakte im Auswärtigen Amt zurückgreifen. In Windeseile wurde der Prozess des Anerkennungsverfahrens für akademische Heilberufe, zu welchen auch Ärztinnen und Ärzte zählen, mit den Tatbestandsmerkmalen des Gesetzes und den Gegebenheiten unserer Ratsuchenden fachlich fundiert zusammengestellt und die Auslandsvertretung gebeten, die Entscheidung zu überdenken. Dies gelang, weil der Verwaltungsprozess in diesen Fällen aufgrund der Bestimmungen der jeweiligen Berufsgesetze anders aufgebaut ist als das Verfahren von beispielsweise Pflegefachkräften oder ähnlichen Berufsfeldern. Aufgrund der Möglichkeit, eine Berufserlaubnis zu erteilen, wird die Prüfung der Gleichwertigkeit der Ausbildung und damit der Defizitbescheid erst zu einem späteren Zeitpunkt im Approbationsverfahren relevant. Somit ist die Zwischenmitteilung der zuständigen Behörde ausreichend, da die erforderlichen Fachsprachprüfungen vor den Berufskammern und die dazugehörigen Vorbereitungskurse in Deutschland absolviert werden müssen und daher eine Einreise erforderlich ist.

Nunmehr wurden die Anträge dann doch nicht direkt von der deutschen Auslandsvertretung abgelehnt, sondern an die regionale Ausländerbehörde zuerst digital und dann per Post zur Zustimmung weitergeleitet. Durch die Corona-Einschränkungen kam der Prozess auch hier immer wieder ins Stocken, doch durch die gute Kommunikation zwischen den beteiligten Akteuren konnten schließlich die Visa erteilt werden. Um die Einreise auf deutscher Seite vorzubereiten - Wohnungssuche, Quarantänebetreuung usw. - wurde die Landesinitiative „Fachkraft Im Fokus“ eingeschaltet, und zwar konkret das Welcome-Center Sachsen-Anhalt. Während diese sich um das Ankommen kümmerten, organisierten wir als fallführende Fachkräfte die Prozessbegleitung und die Kommunikation mit den anderen Akteuren wie der Ausländerbehörde, dem Landesprüfungsamt und dem Institut für Berufspädagogik e.V., damit alle immer auf dem gleichen Sachstand sind.

So konnte als erster Herr Antony im April 2021 einreisen und im Mai 2021 mit dem Kurs starten. Seine Fachsprachprüfung bestand er am 30.08.2021 und konnte mit seiner Berufserlaubnis im Oktober 2021 beim Harzklinikum in Wernigerode den Dienst als Arzt antreten. Frau Siby konnte im Juni 2021 einreisen und besuchte ab August den Sprachkurs zusammen mit Herrn Hilji, der im Juli 2021 einreisen durfte. Beide absolvierten die Fachsprachprüfung erfolgreich am 29.01.2022. Herr Hilji arbeitet mit seiner Berufserlaubnis seit März 2022 in der Paracelsus-Klinik Bad Suderode, während Frau Siby seit Juni 2022 im Harzklinikum Quedlinburg tätig ist.

Während die drei Ratsuchenden den Fachsprachkurs besuchten und sich auf die Prüfung vorbereiteten, behielten wir als fallführendes Angebot den Verwaltungsprozess rund um das Anerkennungsverfahren und die zeitgleich laufenden Prozesse im Blick. Wir funktionieren quasi als Knotenpunkt zwischen allen beteiligten Akteuren, den verschiedenen Rechtskreisen und haben den ganzheitlichen Blick auf den gesamten Individualfall. So unterstützten wir die Ratsuchenden bei Terminen mit der Ausländerbehörde zur Verlängerung des Visums, wobei der Bezug immer speziell auf das Anerkennungsverfahren gerichtet war. Für das Bewerbungsverfahren bei Kliniken sind wir der erste Ansprechpartner und fassen das Anerkennungsverfahren zusammen, damit die Klinik weiß, wie weit der- oder diejenige ist, welche Schritte noch anstehen und zu welchem Zeitpunkt eine Einstellung tatsächlich möglich wäre. Nach der Fachsprachprüfung erklären wir, was noch bis zum Erhalt der Berufserlaubnis erledigt werden muss und vor allem, bei welcher Behörde die Ratsuchenden welches Dokument beantragen müssen. Auch nach dem Erhalt der Berufserlaubnis unterstützen wir beim Weg über das Gutachten bis hin zur Approbation, auf dem sich zwei der drei Ärztinnen und Ärzte zurzeit befinden. Der Dritte hat den Pfad zur Kenntnisprüfung gewählt und absolviert im IQ Netzwerk Sachsen-Anhalt gerade den Vorbereitungskurs für diese Prüfung beim Institut für Berufspädagogik e.V.

Diese Beispiele zeigen, dass der Weg für ausländisches Personal im Gesundheitswesen zwar oft steinig und langwierig ist, dass aber mit kompetenter ganzheitlicher Unterstützung und umfassender gebündelter Fachexpertise die Hürden beseitigt werden können, und dass, wenn sozialarbeiterisches Handeln mit Lebensweltorientierung gepaart wird, ein gutes Ankommen in unserem Land möglich ist.